Unternehmenserwerb in Frankreich: Marktübersicht und aktuelle Entwicklungen

Frédéric Berner, Geschäftsführer der Französischen Handelskammer in Deutschland CCFA e.V., in Zusammenarbeit mit KPMG
Nicht erklärungsbedürftige Produkte können selbstverständlich über Händler, Großhändler, Importeure sowie auch über freie Außendienst- mitarbeiter vertrieben werden. Dies gilt ganz besonders für kleinere Unternehmen, da sich der Einsatz eigener Außendienstmitarbeiter hier nicht rentiert.
Das Problem besteht darin, dass man nicht mit einem branchenunerfahrenen „Frischling“ starten sollte, sondern mit alt eingesessenen Vertriebspartnern. Letztere interessieren sich jedoch hauptsächlich für bereits erprobte Vertriebskonzepte.
Mit Händlern kann man auch in Frankreich sehr unterschiedliche Erfahrungen machen.
Vorteile | Händler bieten eine ganze Reihe von Vorteilen, wie etwa begrenzte vertriebliche Investitionen, vorhandener Kundenstamm, Marktkenntnis, Logistik und After-Sales-Betreuung. |
Nachteile | Die Nachteile sind, dass man keinerlei strategische Kontrolle hat und somit vollkommen vom Händler abhängig ist. Man hat kaum taktischen Einfluss, die Kundschaft ist nicht bekannt, eine Markenpolitik kann nur schlecht umgesetzt werden, und die Marge des Händlers verteuert das Produkt. Schließlich besteht aufgrund der langen Zahlungsziele in Frankreich auch ein bestimmtes finanzielles Risiko. |
Nationale Großhändler sind meistens unflexibel und zum Teil schwerfällige Organisationen, die nur selten an unbekannten Produkten interessiert sind. Sie suchen Produkte, die schon in großem Volumen gewinnträchtig abgesetzt werden, bereits über den notwendigen Bekanntheitsgrad verfügen oder die zeitnah in hohem Maße beworben werden, das heißt, man muss ein bedeutendes Werbebudget versprechen.
Regionale Händler sind kleinere und flexiblere Unternehmen, die sich von den Großhändlern differenzieren müssen. Sie sind also ständig auf der Suche nach neuen Produkten.
Bei Markteintritt ist es ratsam, ein Netz von Regionalpartnern aufzubauen.
Handelt es sich um den Vertrieb von Katalogware, so ist es empfohlen, alle möglichen Vertriebspartner in einer Branche anzusprechen.
Handelt es sich um den Vertrieb von erklärungs- bedürftigen Produkten, so ist es empfohlen, nur die Spezialisten in der Branche anzusprechen. Vertriebspartner können über verschiedene Wege identifiziert werden.
Die Suche von Händlern für die beiden oben erwähnten Kategorien ist über Fachverbände bzw. das Internet und heutige Datenbanken relativ einfach. Handelt es sich aber um den Vertrieb von erklärungs- bedürftigen Produkten an Key Accounts, so müssen die Vertriebspartner unbedingt bei den Endkunden gelistet sein.
Diese können lediglich durch die Ansprache der Endkunden identifiziert werden. Eine Direkt- ansprache der Endkunden hat mehrere Vorteile:
Die Händler, die man auf diese Weise identifiziert hat, können nun unter Nennung dieser Empfehlung angesprochen werden. Eine solche Empfehlung ist in der Regel ein ausschlaggebendes Argument, um den Händler hinsichtlich einer Zusammenarbeit zu überzeugen.
Ein Händler ist ein Kaufmann. Mit ihm kann man sowohl die vertraglichen Inhalte abstimmen, als auch entscheiden, auf welcher Rechtsgrundlage (auf französischem oder auf deutschem Recht) der Vertrag basieren soll.
Bei der Vertragsgestaltung müssen auch kulturelle Aspekte berücksichtigt werden. Meistens wollen Händler in einem individualistisch geprägten Umfeld wie in Frankreich keine jahrelange Bindung eingehen, sondern bevorzugen einfache Verträge.
Nicht selten verlangen Vertriebspartner ein sehr großes Verkaufsgebiet sowie Exklusivität. Allerdings sollte man ihnen nur das Gebiet und die Kundschaft gewähren, die sie heute schon bearbeiten.
Manchmal übernehmen Großhändler nur „vorsorglich“ Produkte, um sicher zu gehen, dass die Mitbewerber diese nicht haben werden, machen aber nichts damit.
Um dies zu vermeiden, muss man einen Vertriebs- plan vereinbaren, insbesondere für die ersten sechs Monate.
Dieser sollte folgendes beinhalten:
Der Einsatz von freien Außendienstmitarbeitern bietet etwas mehr strategische Sicherheit als die Händler.
Da diese den Endkunden nicht selber fakturieren, sondern nur die Aufträge vermitteln und somit die Kunden nicht für sich beanspruchen, ist diese Vertriebsform – wenn möglich – dem Händler vorzuziehen.
In Frankreich gibt es zwei Arten von freien Außendienstmitarbeitern mit rechtlich gesehen unterschiedlichem Status:
Der „Agent commercial“ ist mit dem deutschen Handelsvertreter (HV) vergleichbar und unterliegt der einheitlichen europäischen Gesetzgebung. Der französische Handelsvertreter ist eine juristisch selbstständige Person oder eine Firma. Er kann Geschäfte auf eigene Rechnung tätigen und darf ohne Genehmigung „Untervertreter“ einstellen.
Er ist nicht automatisch Kaufmann, außer bei internationalen Geschäftsbeziehungen, so dass man mit ihm die für den Vertrag gültige Rechtsgrundlage wählen kann. Er ist nicht weisungsgebunden.
Der Nachteil besteht darin, dass es in Frankreich (ca. 20.000 HV) wesentlich weniger Handelsvertreter gibt als in Deutschland (ca. 65.000 HV).
Neben dem Handelsvertreter gibt es noch den VRP: den „Voyageur Représentant Placier“. Dies ist eine Mischform von Angestellten- und Selbständigen-Status. Der VRP gilt als Angestellter und unterliegt somit dem Arbeitsrecht und dem Sozialversicherungsrecht. Da es sich hier nicht um einen Kaufmann handelt, muss der Vertrag unbedingt nach französischem Recht ausgearbeitet werden. Das bedeutet gleichzeitig, dass der Auftraggeber soziale Abgaben zahlen muss. Da die Berechnung der Sozialabgaben sehr kompliziert ist, empfehlen wir dafür einen Steuerberater.
Als Angestellter hat der VRP Anspruch auf einen Jahresurlaub und Freistellung für Familienereignisse. Handelsgeschäfte auf eigene Rechnung sind ihm untersagt. In Frankreich gibt es ca. 150.000 VRP, wobei es sich bei einem Drittel davon um „Multicartes“ handelt, das heißt, sie dürfen gleichzeitig für mehrere Auftraggeber arbeiten.
Mündliche Verträge sind zulässig, jedoch sind schriftliche Verträge selbstverständlich empfehlenswerter, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Die wichtigsten Unterschiede zum deutschen Handelsvertreterrecht bestehen in der Kündigung. Bei der Kündigung eines HV oder eines VRP muss man gegebenenfalls einen Ausgleich in Höhe von bis zu zwei Jahren Provision auf den Durchschnitt der fünf letzten Jahre zahlen, also doppelt so viel wie in Deutschland. Bei der Kündigung eines VRP muss man zusätzlich dazu auf die arbeitsrechtlichen Formalien des französischen Arbeitsrechtes achten.
Das heißt konkret: Der Aufwand bei der Kündigung ist sowohl im Falle des Handelsvertreters als auch bei dem VRP sehr groß.
Daher sollte man es weitestgehend vermeiden, sich von freien Außendienstmitarbeitern trennen zu müssen bzw. dementsprechend bei der Suche und Vertragsschließung sehr vorsichtig sein.
Der HV wird mit einer Provision honoriert. In der Regel gibt es keine großen Unterschiede zu den in Deutschland üblichen Provisionen.
Der VRP wird auch mit einer Provision honoriert, verlangt jedoch oftmals ein Fixum über den halben oder sogar den gesamten Betrag des offiziellen Mindestlohns in Frankreich, der seit dem 1. Januar 2019 bei 1.521,25€ brutto für 151,67 Stunden/Monat liegt.
Falls man dem VRP gegenüber zu einem finanziellen Entgegenkommen bereit ist, sollte man keine pauschale Zahlung leisten, sondern das gewünschte Fixum in einen Leistungsbonus umwandeln.
Provisionen werden aufgrund der langen Zahlungsziele in Frankreich erst nach Zahlungseingang ausbezahlt.
Da die Kündigung sehr aufwändig ist, sollte man nicht den erstbesten Vertreter (der das Blaue vom Himmel verspricht) verpflichten, sondern alle möglichen Mittel einsetzen, um mit „System“ den idealen freien Außendienstmitarbeiter zu finden.
Geeignete Mittel:
Die Bewerbergespräche müssen sehr sorgfältig vorbereitet werden. Franzosen sind risikobereit und zudem opportunistisch eingestellt, was bedeutet, dass sie dazu tendieren, viele Produkte und Anbieter zu testen. Der Hintergedanke dabei ist, dass einige Produkte „laufen werden“ und andere nicht. Für den Fall, dass sie nicht laufen, hat man dann einfach „Pech gehabt“.
Zur Vermeidung von Zeitverlust und Ausgleichsanspruch muss man hinsichtlich folgender Fakten detaillierte Informationen einholen:
Die Suche von Vertretern ist relativ einfach. Die wahre Herausforderung besteht darin, sie zu kontrollieren und zu binden.
Der alt eingesessene und erfahrene HV bzw. VRP testet jeden neuen Mandanten sehr vorsichtig, um sicherzustellen, dass die Produkte gut ankommen und der Service ordentlich ist. Abgesehen davon, hat er auch noch andere Mandanten zu betreuen. Diese bestimmen seine heutigen Einkünfte und er wird sie nicht zu Gunsten möglicher „Zukunftsperspektiven“ vernachlässigen. Dementsprechend kann eine Markteinführung sehr lange dauern, und das Risiko, „vergessen zu werden“, besteht immer, wenn es keine sofort sichtbaren Erfolge gibt.
Genau wie beim Händler muss die Tätigkeit mit Vertretern unbedingt während der ersten sechs Monate zu Erfolgen führen. Ansonsten verlieren diese an Motivation und „schmeißen die Flinte ins Korn“. Man sollte also dafür sorgen, dass das neue Sortiment sofort und systematisch angeboten wird – statt nur „am Rande“ erwähnt zu werden, wenn bereits alle anderen Produkte präsentiert wurden.
Vertriebsmaßnahmen müssen abgestimmt werden, um schnellstmöglich Aufträge zu generieren und somit dem HV zu beweisen, dass das Produkt Absatzchancen hat.
Der Vertriebsplan sollte Folgendes beinhalten:
All das ist wichtig, um frühzeitig Referenzen zu gewinnen und dementsprechend glaubwürdig zu werden. Sollte die Kooperation trotz allem innerhalb der ersten sechs Monate keine Früchte tragen, empfiehlt sich die Kündigung.
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